851-0591-00L  Digitale Nachhaltigkeit in der Wissensgesellschaft

SemesterHerbstsemester 2016
DozierendeM. M. Dapp
Periodizitätjährlich wiederkehrende Veranstaltung
LehrspracheDeutsch
KommentarBesonders geeignet für Studierende D-INFK, D-ITET, D-MATL, D-MAVT, D-MTEC, D-USYS.


KurzbeschreibungWie beeinflussen verschiedene Interessen die Methoden der Produktion, Verteilung und Nutzung digitaler Ressourcen? Den gängigen Ansätzen mit starker Betonung Geistigen Eigentums werden offene Ansätze, zum Beispiel Open Source/Content/Access, gegenübergestellt. Der Fokus liegt auf den Auswirkungen dieser Ansätze und »digitaler Nachhaltigkeit« als möglicher Vision für die Gesellschaft.
LernzielIm Zentrum des Diskurses steht der Umgang mit digitalen Gütern und Geistigem Eigentum in unserer Gesellschaft. Digitalisierung und Internet ermöglichen einen Umgang mit Wissen, der in direktem Gegensatz zum traditionellen Verständnis von "Geistigem Eigentum" und den darauf fussenden Industrien steht. Ausgehend von ökonomischen und rechtlichen Grundlagen werden proprietäre und offene/«freie» Modelle einander gegenüber gestellt. Nachhaltige Entwicklung wird als Konzept auf digitale Güter übertragen, so dass die besondere Natur digitaler «Dinge» berücksichtigt wird.
Die Studierenden können anschliessend (hoffentlich)
- die besondere Natur digitaler Güter im Gegensatz zu physischen abgrenzen
- die Grundkonzepte von Urheberrecht und Patentrecht kritisch erläutern
- politisch-rechtliche und ökonomische Unterschiede proprietärer und offener Ansätze bei der Produktion und Nutzung digitaler Güter erklären
- an einem Beispiel erklären, was digitale Nachhaltigkeit bedeutet und worin die Relevanz des Konzepts für Wissensgesellschaften liegt
- Ansätze der Freien/Open Source Software auf andere digitale Güter übertragen (z.B. Open Content, Open Access)
InhaltTechnische Realität: In Minuten können wir perfekte Kopien hochwertigen digitalen Wissens oder Kultur (als Text, Audio, Video, Grafik oder Software) über den gesamten Globus verteilen. Und dies zu verschwindend geringen Kosten. «Digitalisierung plus Internet» ermöglichen erstmals in der Geschichte der Menschheit den (theoretisch) freien Zugang und Austausch von Wissen weltweit zu minimalen Kosten. Eine immense Chance für die Weiterentwicklung der Gesellschaften in Nord und Süd. «Cool, so what's the problem?»
Das Problem ist, dass diese Realität das heutige Geschäftsmodell der Wissens- und Kulturindustrien (vom Music Label und Hollywood über den Verlag bis zum Software-Hersteller) in seinen Grundfesten bedroht. Es sind mächtige kommerzielle Interessen im Spiel, denn die Bedeutung von «Wissen» als viertem Produktionsfaktor wird im 21. Jahrhundert weiter stark zunehmen. Dementsprechend hart ist das Vorgehen gegen «Raubkopierer», «Softwarepiraten» und «File-Sharer». Eine Kernfrage ist das Konzept des Eigentums an digitalem Wissen. Herangezogen wird ein Jahrhunderte altes Konzept von «Geistigem Eigentum», das der digitalen Realität nicht Rechnung trägt und teilweise zu absurden Situationen führt. Das ursprüngliche Ziel - die Weiterentwicklung der Gesellschaft durch eine möglichst grosse Verbreitung von Wissen - droht vergessen zu gehen.
Der Umgang mit dem PC entwickelt sich zur neuen Kulturtechnik des 21. Jahrhunderts. Neu daran ist, dass diese Kulturtechnik im Gegensatz zu «Lesen, Schreiben und Rechnen» nicht autonom existiert, sondern auf eine Soft- und Hardware-Infrastruktur angewiesen ist. Diese Bindung erzeugt eine Abhängigkeit vom Anbieter der Infrastruktur, der technisch «Spielregeln» festlegen kann, die dem Benutzer Freiheiten nehmen oder sie begrenzen können. Selbst der Fortgeschrittene kann diese (häufig verdeckt) implementierten Spielregeln technisch nur schwer erkennen und deren gesellschaftliche Bedeutung kaum bewerten. Doch gerade diese unsichtbaren Konsequenzen gilt es zu begreifen und zu hinterfragen, denn sie kontrollieren Zugriff, Verteilung und Nutzung des digitalen Wissens.
Vergleichbar mit der Öko-Bewegung in den 60/70er Jahren, existiert eine wachsende politische Bewegung für «Freie Software», dessen populärstes Symbol «GNU/Linux» ist. Sie kämpft dafür, dass Softwarecode als zentrales Kulturgut nicht als Privateigentum behandelt wird, sondern frei von Privatinteressen allen zur Verfügung steht. Mit dem Erfolg dieser Bewegung sind weitere Initiativen entstanden, die die Konzepte der Freien Software auf andere Wissensbereiche (z.B. akademisches Wissen, Musik) übertragen...
Als Vorgeschmack sei das Essay «ETH Zurich - A Pioneer in Digital Sustainability!» empfohlen. Es kann auf Link heruntergeladen werden.
Mehr ab September auf teach.digisus.info. Stay tuned.
SkriptDie Folien und weitere Unterlagen (beides i.d.R. englischsprachig) werden wöchentlich online verfügbar sein.
LiteraturInhalte der folgenden Bücher (als freie PDFs online erhältlich) werden behandelt:
1 Volker Grassmuck, Freie Software - Zwischen Privat- und Gemeineigentum, Bundeszentrale für Politische Bildung, 2. Aufl. Bonn 2004.
2 François Lévêque & Yann Ménière, The Economics of Patents and Copyright, Berkeley Electronic Press, 2004.
3 Yochai Benkler, The Wealth of Networks, Yale University Press. New Haven 2006.
Link
Zur Vertiefung empfohlen:
1 (allgemein) Chris DiBona et al., Open Sources – Voices from the Open Source Revolution, O'Reilly, 1999.
2 (Politologie) Steven Weber, The Success of Open Source, Harvard UP, 2004.
3 (Recht) James Boyle, Shamans, Software, & Spleens - Law and The Construction of the Information Society, Harvard UP, 1996.
4 (Recht) Lawrence Lessig, Code and Other Laws of Cyberspace, Basic Books, New York 1999.
Voraussetzungen / BesonderesAus organisatorischen und didaktischen Gründen (hoher Grad an Interaktion und Gruppenarbeit zu aktuellen Themen als Kreditbedingung) ist die Zahl auf 45 Teilnehmende limitiert. Natürlich sind alle Interessierte eingeladen, die LV auch ohne Semesterleistung zu besuchen. Die Website wird aktiv für die LV genutzt.